Seele
Kirchenmusiker Magne H. Draagen schätzt die ruhigen Stunden des Übens auf der Orgelempore. Seine größten spirituellen Erlebnisse habe er durch Musik erfahren. „Sie berührt die Seele, das ist ihr Ziel.“
Die Orgelempore kann ein einsamer Ort sein. Für Magne H. Draagen ist das kein Problem. Der Kirchenmusiker beschreibt sich selbst als introvertiert. Er schätzt die ruhigen Stunden des Übens, um die Orgeln des Michel immer noch besser kennenzulernen. Die vielen Möglichkeiten der Michel-Orgeln nötigen dem gebürtigen Norweger Respekt ab, aber vor allem erfüllen sie ihn mit Freude, immer wieder etwas Neues aus dem „Monstrum Orgel“ herauszuholen. „Ich arbeite langsam, mit langem Atem.“
Seine größten spirituellen Erlebnisse habe er durch Musik erfahren. „Sie berührt die Seele, das ist ihr Ziel.“ Der Glaube spielt eine große Rolle in seinem Leben. „Was man betet, das glaubt man“, sagt er schlicht. Seine Musik ist seine Form des Gebetes. „Wenn ich im Gottesdienst musiziere, ist es nicht mein erstes Ziel, Menschen zu unterhalten“, erklärt er. „Vielmehr bin ich Teil der Gemeinde und gemeinsam mit ihnen wende ich mich an Gott – mit meiner Musik.“ Gottesdienste müssten logisch sein, findet er: „Die Besucher müssen sie mittragen, sie fühlen und verstehen.“
In dem kleinen norwegischen Dorf an der Westküste, in dem er aufwuchs, hatte Magne H. Draagen mit Kirche zunächst wenig am Hut. Seine musikalische Karriere begann am Schlagzeug, er sang im Gospel-Choir und übte sich an der E- Orgel. Als seine Orgellehrerin den Ort verließ, blieb nur der Kirchenmusiker als Lehrer übrig und so spielte Magne H. Draagen mit 12 Jahren zum ersten Mal die Kirchenorgel. „Im Rückblick war es eine winzige Kirche und eine winzige Orgel, aber es eröffnete mir eine neue Welt“, erzählt er lächelnd und erinnert sich, wie stolz er war, dass er gleich einen eigenen Schlüssel bekam, um dort üben zu können. „Die Kirche lag abseits, am Wasser, und hatte eine weiße Holztür – sehr idyllisch“, erzählt er. „Nur der Heimweg über den Kirchhof war abends nicht so gemütlich!“
Den Michel hat er schon vor vielen Jahren kennengelernt, auf einer Interrail-Reise durch Europa. „Es war Sommer und weil es regnete, ging ich ins Orgelkonzert in den Michel.“ Noch heute erinnert er sich genau an die Stücke, „vor allem aber an den Klang!“ Damals habe er sich nicht vorstellen können, einmal hier als Kirchenmusiker spielen zu können – und wohl auch nicht, einmal so fabelhaft deutsch sprechen zu können. „Ich habe es in der Schule gelernt, war aber faul im Unterricht“, sagt er und grinst. In Oslo spielte er zwei Jahre lang die Orgel in der deutschen Ev. Kirche und auch sonst hatte er beruflich viel mit Deutschland und der Schweiz zu tun. „Das hat geholfen!“ Nur das Siezen fällt ihm immer noch schwer. „In Norwegen sagt man `Sie´ nur zum König,“ sagt der 48-Jährige lächelnd.
In vielen Kirchen hat Magne H. Draagen gespielt und nie Zweifel gehabt, dass dies der richtige Weg für ihn sei. „Am Anfang war ich eher Kirchen-MUSIKER, jetzt bin ich KIRCHEN-Musiker“, sagt er zufrieden. Nun sitzt er seit September 2021 am zentralen Spieltisch im Michel und verfolgt beständig seinen Weg in der Gemeinde. Eitelkeiten sind ihm fremd; Magne H. Draagen kann sich auf seine Präsenz und die Qualität seiner Arbeit verlassen, um Gehör zu finden. Er muss er sich nicht profilieren und die Kirchenmusik am Michel neu erfinden. „Ich muss nicht alles umwerfen, sondern sehe mich als Vermittler zwischen Althergebrachtem und Neuem“, beschreibt er seinen Anspruch und findet seinen Platz auf der Empore immer noch so aufregend wie damals im kleinen Dorf in Norwegen.