Zuhause bei Kurt Rechenberg unterm Dach war es eng geworden und in unzähligen Koffern waren die rund sechzig Krippen aus aller Welt verstaut. „Wer sie anschauen wollte, der musste sich auf den Bauch legen, um in die Koffer schauen zu können“, erzählt er schmunzelnd. Nach und nach schwappte die Welle der Krippenbegeisterung auch in die unteren Etagen des Hauses in Alsterdorf und die „Heerscharen“, wie der Sammler das „Krippenpersonal“ nennt, eroberten fast jedes Zimmer.Zahlreiche ganz besondere Exemplare sind in vielen Jahren des Sammelns zusammengekommen, die älteste stammt aus dem 15. Jahrhundert. Die unzähligen Krippenfiguren sind aus Holz und Keramik, Ton oder russischem Elfenbein gefertigt. Wie viele Figuren er beherbergt, weiß der Hausherr nicht genau: „Gezählt habe ich sie tatsächlich noch nicht – aber tausend könnten es schon sein.“
Die meisten der Darstellungen beschränken sich nicht aufs Kerngeschehen der Weihnachtsgeschichte. Gerade beisüdeuropäischen Krippen sind die Darstellungen der Weihnachtsgeschichte fest im prallen Alltagsgeschehen verankert. Vor allem portugiesische und neapolitanische Krippen haben es Kurt Rechenberg angetan. In einem besonders prächtigen Modell findet die Heilige Familie ihr Obdach gleich neben einer Spelunke, in der Würste und eine Schweinehälfte von der Decke hängen und eine dralle Wirtsfrau ihre sichtlich angeschickerten Gäste bedient. „Diese Lebensfreude und Vitalität in den Darstellungen machen für mich den Reiz aus“, sagt Rechenberg und lächelt schelmisch.
Katholisch seien seine Krippen, findet er. Die evangelischen Krippen seien schlichter und aufs Wesentliche reduziert. Doch Kurt Rechenbergs Herz schlägt für Dekoration, gern opulent und detailverliebt. Da werden schon mal ganze Körbe Moos verbaut, erzählt der Pensionär. „Das Aufbauen der Krippen entspannt mich. Als Sammler bewege ich mich wieder auf einer kindlichen Ebene, das genieße ich sehr.“ Die Liebe zu Krippen wurde schon im katholischen Elternhaus geweckt. Das Geheimnis des Weihnachtsgeschehens wurde liebevoll von der Mutter hinter der verschlossenen Tür des Weihnachtszimmers zelebriert, erinnert sich Kurt Rechenberg. Doch so richtig erwischte es ihn bei einer Rucksackreise 1979 durch Südamerika. „Die tiefe Frömmigkeit der Menschen dort hat mich sehr bewegt“, sagt er. In einem Laden in Peru erwarb er seine erste Krippenfigur, ein Jesuskind, das Wochen im Rucksack mitreiste. Mit ihm begann die Sammelleidenschaft, die nun im Michel eine weitere Entwicklung erlebt.
Dass er, der praktizierende Katholik, seine Sammlung dem Michel schenkt, ist für ihn kein Widerspruch. „Der Michel ist einfach Heimat für mich“, findet er nach mehr als dreißig Jahren in der Hansestadt. „Der Michel ist eine Volkskirche und Krippen sind Volkskunst – das passt“, erklärt der 70-Jährige. „Hier wird Ökumene gelebt, hier kommt man sich nah, denn der Michel gehört allen Hamburgern.“ So freut sich Kurt Rechenberg jetzt schon darauf, dass große und kleine Hamburger die reiche Bilderwelt seiner opulenten Krippen entdecken werden. „In ihnen wird Glaube lebendig und anschaulich.“
Kurt Rechenberg fällt es nicht schwer, sich von seinen Krippen zu trennen. „Ich weiß ja, wohin sie gehen und dass man sie zu würdigen weiß. Das tut gut“, sagt er zufrieden. Was er sich davon erhofft? „Mit einer Krippe kann man Menschen das Wunder der Weihnachtsgeschichte anschaulich und spielerisch nahebringen. Dem Heiligen ohne Scheu, sondern mit kindlicher Freude nahezukommen – das gelingt mit einer Krippe.“ Dass das nun im Michel, mitten im Herzen der Stadt, möglich ist, freut Kurt Rechenberg besonders. „Und vielleicht sind meine Krippen ja für den einen oder anderen eine Anregung, zu Hause eine eigene Krippe aufzustellen.“
01.12.2017