„Alles außer Senioren“ wollte Lourdes machen, als sie sich beim Bundesfreiwilligendienst nach einer Möglichkeit für soziales Engagement erkundigte. „Und genau da bin ich gelandet“, erzählt die 64-Jährige lachend. Ein bisschen Bammel habe sie gehabt, denn mit älteren Menschen hatte sie bisher wenig Erfahrung. „Ich habe nicht gedacht, dass ich mit Senioren gut kann. Ich bin ja eine eher strenge Person“, sagt sie – kaum vorstellbar bei ihrem offenen Lachen und ihrer zugewandten Art.
Die Herzlichkeit und Freude der Begegnung mit den Senioren hat sie überrascht. Am meisten freut sie, dass ihre Seniorinnen und Senioren in den letzten Monaten zunehmend selbst aktiv geworden sind. „Sie helfen sich rührend untereinander“, hat sie beobachtet. Wenn jemand nicht mehr mobil genug ist, um selbstständig zum Michel-Treff zu kommen, bieten sich andere aus der Gruppe zur Begleitung an. „Das ist toll!“
Gebraucht zu werden, das ist auch für Lourdes Mugica wichtig. „Ich kann hier etwas bewirken“, sagt sie und in ihrem charmanten Akzent konkurriert Spanien mit dem schwäbischen Dialekt ihres Mannes, mit dem sie seit 30 Jahren verheiratet ist. Ihre dreißig Wochenstunden teilt sie zwischen dem Michel-Treff, Hausbesuchen und dem Second-Hand-Projekt „Jack und Büx“ auf, in enger Zusammenarbeit mit Diakon Simon Albrecht. „Er ist für die pastoralen Dinge zuständig, ich für die Betreuung von Veranstaltungen“, erklärt sie. Dazu gehören die Betreuung von Besuchern des Michel-Treffs und Hausbesuche bei denen, die nicht mehr so können wie früher. „Ich erlebe, wie bei manchen die Kräfte nachlassen“, sagt Lourdes nachdenklich. "Einige sind in meiner Zeit am Michel verstorben“ – auch das gehöre dazu.
Lebensfremd ist die zierliche Frau mit dem frechen Kurzhaarschnitt ganz gewiss nicht. Mit zwanzig zog sie aus ihrer baskischen Heimat nach Deutschland, „weg von meinem autoritären Vater.“ Sie wurde Krankenschwester und konnte so ihr Studium der Sozialwissenschaften und medizinischen Psychologie in Gießen finanzieren. „Ich war schon immer politisch interessiert, habe alle Bewegungen mitgenommen“, erzählt sie lachend.
Gemeinsam mit einer Kommilitonin ging sie für ein Studienprojekt nach Zimbabwe und lernte dort ihren deutschen Mann kennen, der in der Entwicklungshilfe tätig war. 22 Jahre lang arbeitete sie für die Welthungerhilfe in vielen Ländern, in Kriegs- und Krisengebieten; längere Zeit sesshaft war das Paar in Südafrika, in Venezuela und in Hamburg. „In Übersee zu leben hat mir gut gefallen, aber ich bin Europäerin. Das spüre ich immer dann besonders deutlich, wenn ich woanders bin.“
Nun hat die Familie ihr zuhause in Hamburg gefunden und hier soll auch der Lebensmittelpunkt bleiben. Die drei adoptierten Kinder – 20, 19 und 17 Jahre alt – haben viele Wechsel und Unruhe in ihrem Leben erlebt. „Adoptierte Kinder sind verlassene Kinder. Wir sind die Konstante“, erklärt Lourdes.
Das Besondere am Michel für sie? „Hier ist Platz für alle“, sagt sie schlicht. „Man muss nicht unbedingt funktionieren, sondern kann einfach so sein, wie man ist. Hier wird Solidarität und Toleranz gelebt, das gefällt mir!“