Reformationsfest
Nachdem anlässlich des 500. Reformationsjubiläums 2017 der 31. Oktober bundesweit zum Feiertag erklärt worden war, haben die Parlamente aller norddeutschen Bundesländer im Verlauf des Jahres 2018 beschlossen, das Reformationsfest künftig in jedem Jahr als „Tag der Reformation“ zum Feiertag zu machen. Sie sind damit den östlichen Bundesländern (mit Ausnahme des Landes Berlin) gefolgt.
Mit den 95 Thesen gegen den Ablass, die Martin Luther als Professor und als Seelsorger verfasst hatte, begann eine breite öffentliche Wahrnehmung und Diskussion über erhebliche Missstände in der mittelalterlichen Kirche. Ob Luther die Thesen am 31. Oktober 1517, am Vorabend des in Wittenberg mit einem besonderen Ablass gefeierten Allerheiligenfestes, tatsächlich an das Portal der dortigen Schlosskirche genagelt hat oder ob er sie auf dem Dienstweg an seinen Bischof Albrecht und andere Theologen geschickt hat, ist bis heute umstritten und wird sich auch nicht eindeutig klären lassen. Der Thesenanschlag ist auf jeden Fall eine schöne Legende und ein mächtiges Symbol.
Inhaltlich – und das ist entscheidend – prangert Luther in den Thesen den Ablasshandel an. Gläubige konnten sich durch den Erwerb von Ablassbriefen gegen Geld von den zeitlichen Sündenstrafen im Fegefeuer freikaufen. Luther sah darin einen Missbrauch des Bußsakraments und fürchtete um den Glauben und den Bußernst der Gläubigen. Sie beichteten kaum noch und bereuten nicht, sondern zahlten für Ablass und fühlten sich frei.
Dass der Reformator mit seiner harschen Kritik neben einer entscheidenden Einnahmequelle für die Kirche auch theologische Lehren der spätmittelalterlichen Kirche in Frage stellte, die insbesondere das Papstamt betrafen, war ihm durchaus bewusst, zunächst aber nicht die gewaltige öffentliche Wirkung.
Die von Luther anfangs nicht autorisierte Übersetzung der Thesen ins Deutsche und ihre massenhafte Verbreitung machten nicht nur den bis dahin nur lokal bekannten Theologen Martin Luther in ganz Deutschland und darüber hinaus bekannt, sondern führte an vielen Orten zu offener Kritik an den Zuständen der Kirche.
Nach Einführung der Reformation in manchen deutschen Fürstentümern und Städten (Hamburg durch Beschluss des Rates (Senates) im Jahre 1529) und nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, in dem festgelegt wurde, dass der Regent eines Landes die Religion (Konfession) bestimmt (cuius regio eius religio), wurde der Reformation auch gottesdienstlich gedacht. Zuerst wählte man dazu entweder Luthers Geburtstag (10. November) oder seinen Todestag (18. Februar).
Kurfürst Georg II. von Sachsen, damals Vorsitzender des sogenannten Corpus Evangelicorum, das heißt der evangelischen Stände im Heiligen Römischen Reich, ordnete im Jahre 1667 an, den 31. Oktober, der spätestens seit dem Jahr 1617 als Tag des öffentlichen Thesenanschlags gefeiert wurde, in allen protestantischen Ländern als Gedenktag der Reformation zu begehen.
Das Jahrhundertfest der Reformation im Jahre 1617 stand angesichts der römisch-katholischen Gegenreformation unter dem Eindruck eines lutherischen Triumphalismus. Martin Luther wurde als Retter des christlichen Glaubens und auf Bildern als „Herkules Germanicus“ gefeiert, der den Papst besiegt hatte.
Der 31. Oktober wurde in manchen Gegenden Deutschlands zum Feiertag erklärt und blieb es bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts.
Im politisch immer mächtiger werdenden Preußen war das Reformationsfest auf den dem 31. Oktober folgenden Sonntag verlegt worden. Diese Regelung übernahmen auch andere deutsche Länder.
Erst im Rahmen ökumenischer Gespräche mit der römisch-katholischen Kirche im 20. Jahrhundert und der Erfahrung, dass im 16. Jahrhundert Kirchentrennendes bei genauerer Betrachtung in vielen Fällen aufgrund unterschiedlicher theologischer Akzentsetzung oder einfacher Missverständnisse entstand und über Jahrhunderte weitertransportiert wurde, hat auch das Reformationsfest einen anderen Akzent erhalten. Theologisch steht die Botschaft des Evangeliums, dass der verlorene Mensch durch den Glauben an Kreuz und Auferstehung Jesu Christi von Gott gerecht gesprochen und gerettet wird, im Mittelpunkt der Verkündigung. Die reformatorische Erkenntnis, dass jeder Mensch in einem unmittelbaren Verhältnis zu Gott steht, betont damit auch die Verantwortung jedes einzelnen Menschen, solchen Glauben festzuhalten und zu leben. Das Sorgen einer „Mutter Kirche“, die mir als Christenmensch – und sei es durch Spenden oder Ablassgelder – Vergebung zusprechen oder die Gnade Gottes zuteilen kann, ist damit ausgeschlossen.
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